“Destroyed” / Barbara Schiltenwolf & Marcelina Wellmer, Artist Talk at Gallery Hoffman + Weiss, 2011
Bei den Arbeiten der Serie Destroyed am Anfang steht eine Fotografie, das Abbild einer Wirklichkeit. Dieses Bild wird mittels digitaler Bildbearbeitungsprogramme verändert, geometrisiert, in die Länge gezogen,dem digitalen Nacheinander preisgegeben.
Das Bild wird übersetzt in die Formensprache der digitalen Welt. Dabei handelt es sich nicht um einen einfachen Akt der Zerstörung, sondern um ein sorgfältiges Fragmentieren, Schritt für Schritt wird ein Ganzes auseinander genommen und in seine kleinsten Teile zerlegt. Abstraktion wird gemeinhin als reduktiver oder gar als negativer Vorgang betrachtet. “Etwas abstrahieren” bedeutet für gewöhnlich, etwas zu entziehen, weg zu nehmen, zu stibitzen, abzuleiten, herauszulösen, aus dem Konkreten zu entfernen.
Hier ist Abstraktion in einem positiven Verständnis Übersetzung und Verarbeitung. Die Malerei ist das Zeugnis des Übersetzungsprozesses.
Eine greifbare Rückgabe an die Wirklichkeit, eine Momentaufnahme aus dem allgegenwärtigen Hintergrundrauschen der uns umgebenden digitalen Welten.Eine analoge Visualisierung der digitalen Formensprache.
Was wir sehen, ist vielleicht das Ergebnis einer Zerstörung, vielleicht ist es aber auch die Beobachtung, die Verarbeitung eines zerstörerischen Moments, vielleicht sogar die Empfindung einer Zerstörung.
Die Aufgabe der Abstraktion ist es hier eine Essenz oder Energie, eine Wahrnehmung aus einem Medium in ein anderes zu übertragen und diese damit zu erweitern und zu verstärken. Was wichtig ist, ist die Offenlegung des Prozesses der Dekonstruktion. Abstraktion nicht als Zielsetzung, sondern als ein Mittel der Kommunikation.
Diese Kommunikation ist dabei nicht nur ein Dialog der verschiedenen Medien, der analogen Malerei und der digitalen Bildwelt, sondern auch eine zwischen der Künstlerin und digitalen Darstellungsweisen.
Das Moment dass in der Malerei festgehalten ist, erfährt weiter Zersetzung, eine Ausdehnung in die Unendlichkeit. Damit wird das Nacheinander der einzelnen Teile Schlussendlich in eine Gleichzeitigkeit überführt. Diesen Übergang von der Ausdehnung des Moments in die Ewigkeit unterstreicht auch der Sound der die Videoprojektion begleitet.
Es handelt sich um eine einzelne Sekunde aus einer Komposition elektronischer Musik von Michael König´s „Klangfiguren“ von 1955. Diese einzelne Sekunde erfährt genau diese Ausdehnung ins Unendliche, wenn sie um 1000 % gedehnt wird.
Eine Ausdehnung, die zumindest im menschlichen Empfinden – einem Verhältnis von Moment und Ewigkeit zumindest sehr nahe kommt.
Wenn die Malerei ein vielleicht sogar gewalttätiges Moment festhält, den Akt des Zerreißens, den Akt der Verarbeitung, vielleicht ein „so war das für mich“ bezeugt, so ist es die Ruhe nach dem Sturm, die uns in dem Video begegnet.
Es ist eine Form von Übereinkunft, die am Ende des Verarbeitungsprozesses steht, es ist das tiefere Verstehen, die Rückkehr des Flows, das „so komme ich damit zurecht“.
Als sei das Vergängliche, das Flüchtige, das Ultraschnelle, das Zerfallende, sich Auflösende, der pulsierende Fluss aus Bildern und Daten in Termini des Ewigen, oder zumindest des Zusammenhängenden übersetzt.
Wenn die Bildsprache im Zuge ihrer Fragmentierung gestockt hat, zersetzt
wurde, so ist sie an dieser Stelle in einen erneuten Fluss geraten. Die einzelnen Bruchstücke sind zu einer Übereinkunft gekommen, am Ende steht eine sinnliche Sprache, ein metaphysischer Slang, der zu Poesie geworden ist.
Barbara Schiltenwolf.*
*Barbara Schiltenwolf studies art history, german literature and economics at Freie Universität Berlin.